Was der SPNV zukünftig zum Klimaschutz beitragen kann
Nordrhein-Westfalen hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu sein. Bis 2040 sollen die CO2-Emissionen in NRW gegenüber 1990 insgesamt um 88 Prozent sinken. Ein eigenes Minderungsziel für den Verkehr bis 2040 besteht bislang nicht, allerdings muss auch der Verkehr bis 2045 klimaneutral sein. Für den Verkehrssektor stellen die Minderungsziele eine enorme Herausforderung dar, denn anders als in anderen Sektoren konnten im Verkehr bislang kaum CO2-Einsparungen erreicht werden, weder in Nordrhein-Westfalen noch deutschlandweit.
Im Jahr 2022 lag der Anteil des Verkehrs an den CO2-Emissionen in Nordrhein-Westfalen bei 14 Prozent. Von diesen Emissionen verursachte allein der Straßenverkehr fast 90 Prozent. Der Personenverkehr ist dabei für 70 Prozent, der Wirtschafts- und Güterverkehr für 30 Prozent verantwortlich.
Würden die Emissionen des Verkehrssektors in NRW vom heutigen Niveau bis 2045 linear reduziert, dürfte der Verkehr im Jahr 2040 nur noch etwa 6,8 Mio. Tonnen CO2 ausstoßen, um den Zielpfad einzuhalten. Gegenüber den Emissionen im Jahr 2022 ist dies eine Minderung um rund 78 Prozent. Hier kommt der SPNV ins Spiel: Der im Zielnetz geplante Ausbau bewirkt, dass 2040 viele Fahrten mit dem SPNV statt mit dem Pkw zurückgelegt werden.
Betrachtet man die künftige Entwicklung der Verkehrsemissionen ohne Umsetzung des Zielnetzes, so würden die Emissionen – vor allem durch Maßnahmen der Antriebswende für Pkw und Lkw – auf rund 8 Mio. Tonnen CO2 sinken. Die Maßnahmen des Zielnetzes bewirken eine zusätzliche Reduktion um rund 200.000 Tonnen auf 7,8 Mio Tonnen CO2. Zur Erreichung des Klimaschutzpfades, bei dem der Verkehr 6,8 Mio. Tonnen emittiert, ist eine weitere Senkung um rund einer Million Tonnen notwendig. Geht man statt einer linearen Reduzierung von einem Zielpfad aus, bei dem die Emissionen zunächst deutlich stärker reduziert werden, wie in der Szenariostudie Klimaneutrales Deutschland, so müssten die CO2-Emissionen des Verkehrs in NRW bis 2040 noch deutlich stärker sinken – auf dann nur noch 2,1 Mio. Tonnen.
Die Einordnung der Wirkung des Zielnetzes zeigt, dass der SPNV einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet – dass aber zugleich noch viel zu tun bleibt, um mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Hierzu können verschiedene Maßnahmen beitragen, die in den Handlungsempfehlungen dargestellt sind.
Methodisches Vorgehen
Die Forschenden des Wuppertal Instituts haben für ihre Berechnungen zur Klimabilanz 2023 verschiedene methodische Vorgehensweisen genutzt, die nachfolgend erläutert werden.
Territorialprinzip
Die Klimabilanz wurde nach dem Territorialprinzip erstellt: Es wurden alle Angebotsformen im SPNV – Regionalexpresszüge, Regionalbahnen, S-Bahnen sowie Schienenersatzverkehre – und die dadurch verursachten CO2-Emissionen innerhalb der Grenzen von Nordrhein-Westfalen bilanziell berücksichtigt.
Clusterbildung für die zugkilometerspezifischen Energieverbräuche
Zur Berechnung der zugkilometerspezifischen Energieverbräuche im SPNV NRW wurden zwölf Liniencluster mit vergleichbaren Bediengebieten sowie Schienenfahrzeugen mit ähnlichen Strom- und Kraftstoffverbräuchen gebildet. Dieses Vorgehen wurde zur Vereinfachung der Berechnung gewählt, da es 20 verschiedene Zug- und Triebwagentypen auf mehr als 100 SPNV-Linien gibt. Dabei können die zugkilometerspezifischen Energieverbräuche u.a. aufgrund topographischer Bedingungen oder auch der Wagenzahl variieren. Auf Basis von durchschnittlichen Verbrauchsdaten ausgewählter Eisenbahnunternehmen konnte für jedes der zwölf Cluster der fahrzeugkilometerspezifische Strom- oder Dieselverbrauch abgeschätzt werden. Anschließend wurden die 2023 auf allen SPNV-Linien in NRW erbrachten Zugkilometer aufgeschlüsselt und den jeweiligen Verbrauchsclustern zugeordnet. Danach wurden die auf den Linien des jeweiligen Clusters insgesamt zurückgelegten Zugkilometer mit den Verbrauchsfaktoren der Cluster multipliziert.
Extra-Berechnung für die Fahrleistung im Schienenersatzverkehr
Die Klimabilanz für den SPNV NRW schließt auch die CO2-Emissionen ein, die durch Schienenersatzverkehre (SEV) entstehen. Die insgesamt im Schienenersatzverkehr zurückgelegten Kilometer wurden mit dem durchschnittlichen Verbrauch konventioneller Dieselbusse im Linienverkehr multipliziert. Um die Umwege des Schienenersatzverkehrs gegenüber dem Zug zu berücksichtigen, wurde die Verkehrsleistung mit dem Faktor 1 Zugkilometer : 1,5 Fahrzeugkilometer im SEV berechnet.
Berücksichtigung der Emissionen aus der Stromerzeugung
Die Klimabilanz für den SPNV NRW weicht bei der Zuweisung der Emissionen zu den jeweiligen Verursachern vom Treibhausgas-Emissionsinventar des LANUV NRW ab. Das Emissionsinventar weist dem Schienenverkehr nur die Emissionen aus dem Verbrauch von Kraftstoffen zu, während die strombedingten Emissionen dem Sektor der Energiewirtschaft zugeordnet sind. Für die Klimabilanz haben sich die Forscher/innen des Wuppertal Instituts bewusst dafür entschieden, dem SPNV auch die Emissionen aus dem Stromverbrauch zuzuweisen, um einen Vergleich der beiden Antriebsarten hinsichtlich ihrer Klimaschutz-Potenziale zu ermöglichen.
Daten zu Fahrgastzahlen im SPNV NRW
Für die CO2-Bilanz auf Basis der Personenkilometer wurden die aus Verkehrserhebungen gewonnenen Daten zu Fahrgastzahlen und den jeweils zurückgelegten Distanzen auf den verschiedenen SPNV-Linien genutzt. Lagen die linienspezifischen Daten für 2023 nicht vor, wurde auf Daten aus dem NRW-Verkehrsmodell zurückgegriffen.
NRW-spezifischer CO2-Emissionsfaktor Personenkilometer SPNV
Zur Berechnung der CO2-Emissionen wurde vorab ein NRW-spezifischer CO2-Emissionsfaktor Personenkilometer SPNV entwickelt: sowohl für die Strom- als auch für die Dieseltraktion. Mit diesem lassen sich die Spezifika und Besonderheiten des SPNV-Angebots in NRW sowie Art und Umfang der Nutzung abbilden. Der Emissionsfaktor beschreibt jeweils spezifisch für das betrachtete Verkehrsmittel, wie viel Energie es verbraucht und wie viel CO2 emittiert wird, um eine Person einen Kilometer zu befördern. Der Emissionsfaktor für die Personenkilometer steht somit in direktem Zusammenhang mit der Auslastung eines Fahrzeugs. Er sinkt mit steigender Auslastung des Fahrzeugs und steigt, wenn die Auslastung zurückgeht.
Berechnung der NRW-spezifischen Fahrzeugauslastung
NRW ist durch eine Reihe von Spezifika charakterisiert, die eine höhere Auslastung der eingesetzten Fahrzeuge als im Bundesdurchschnitt vermuten lassen. Diese Besonderheiten sind beispielsweise die vielen Ballungsräume, eine hohe Zahl von Menschen im Einzugsbereich von SPNV-Linien und die höchste Bevölkerungsdichte aller Flächenbundesländer in Deutschland. Die höhere Fahrzeugauslastung wurde in allen Berechnungen berücksichtigt.

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Quellen
- Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) (Hrsg.) (2018): dena-Leitstudie Integrierte Energiewende. Berlin
- Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) (Hrsg.) (2021): dena-Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität. Berlin
- go.Rheinland, Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) (2024): Verkehrsleistung des Schienenersatzverkehrs in Nordrhein-Westfalen in 2023 (nicht veröffentlicht). Köln, Gelsenkirchen
- Kompetenzcenter Integraler Taktfahrplan (KCITF) (2024): Verkehrsleistung des SPNVs in NRW für das Jahr 2023 auf Basis der Zugkilometer (nicht veröffentlicht). Bielefeld
- Kompetenzcenter Integraler Taktfahrplan (KCITF) (2024): Verkehrsleistung des SPNVs in NRW für das Jahr 2023 auf Basis der Platzkilometer (nicht veröffentlicht). Bielefeld
- PTV Planung Transport Verkehr (PTV) (2024): Verkehrsleistung des SPNVs in NRW für das Jahr 2023 auf Basis der Personenkilometer. Auszug aus dem NRW-Verkehrsmodell (nicht veröffentlicht). Dresden
- Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) (2025):Treibhausgas-Emissionsinventar Nordrhein-Westfalen 2022 – LANUV-Fachbericht 161. Düsseldorf
- Umweltbundesamt (2025): Vergleich der durchschnittlichen Emissionen einzelner Verkehrsmittel im Personenverkehr in Deutschland 2023. Dessau
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